R O S T A M U N D S O H R A B

 

1. Prelude

2. Gebet

Im Namen unseres Gottes,
von Geist und Weisheit,
für unsere Vorstellung unerreichbar!
Des Schöpfers der Namen,
des Schöpfers des Kosmos,
der uns Liebe gibt und uns Wegweiser ist.
Man verehrt ihn
und kann ihn doch nicht fassen.
Bereit und mit Hingabe
solltest du ihm dienen.
Die Weisheit ist die Krone von Königen.
Ist Stärke und Schmuck des großen Geistes.
Und Macht hat der, der Wissen hat,
das Wissen ist die Quelle des Lebens.
(Freie Übersetzung)

3. (Übersetzung von Adolf Friedrich von Schack)

Nun höre, wie die früheren Berichte,
von Rostams Kampf mit Sohrab die Geschichte!
Erfüllen wird sie dir den Blick mit Zähren
und wider Rostam dir das Herz empören.
Rostam geht auf die Jagd
Ein Mobed hinterließ uns solche Kunde:
Besorgten Sinns erhob zur Morgenstunde
sich Rostam, gürtete sich für die Jagd
und füllte seinen Köcher mit Bedacht.
Er schwang sich auf den Raksch und spornte drauf
das elefantengleiche Roß zum Lauf.
Zur Mark von Turan sein Gesicht gekehrt,
glich er dem Löwen, der nach Raub begehrt;
bis nah zur Stadt Samangan ritt er fort,
ein Feld voll wilder Esel fand er dort;
und warf mit Bogen, Pfeil und Fangeschnur
viel des Gewildes nieder auf die Flur.
Gesträuche, Dornen, Baumesäste dann
holt‘ er herbei und steckt‘ ein Feuer an,
in das er, um die Glut zu schüren, blies;
drauf nahm er einen Baumstamm sich zum Spieß,
und einen Esel steckt‘ er an den Baum;
Leicht schien ihm der wie eines Vogels Flaum.
Den Wohlgerösteten zerbrach der Starke,
aß, schonte nicht die Knochen mit dem Marke,
und ruhte schlafend dann vom schweren Tage,
Raksch aber suchte Futter sich im Hage.
Inzwischen zog an jenen Jagddbezirken
ein Schwarm vorbei von räuberischen Türken;
als sie vom Raksch, der auf dem Wiesenplan
am Bache weidete, den Huftritt sah’n,
verfolgten sie die Spuren, sah’n das Tier,
und dachten alsogleich: "Den fangen wir!"
Flugs eilten sie heran, den Fangestrick
zu werfen um des edlen Raksch Genick,
doch wütend stürzte augenblicks das Roß
gleich einem Löwen auf den Räubertroß;
dem einen biß es von dem Rumpf das Haupt,
zwei sanken durch den Hufschlag sinnberaubt;
am Boden lagen so der Türken drei,
und Raksch, der Kühne, war noch bandenfrei;
doch da gelang’s den vielen, ihn zu packen,
sie warfen ihm die Fangschnur um den Nacken,
sie setzten sich mit ihm zur Stadt in Gang,
und jeder dachte: "Das ist guter Fang."
Als Rostam wiederum vom Schlaf erwachte,
so war sein Roß das erste, dran er dachte,
er sah umher und spähte auf der Flur,
doch von dem Hengste fand er keine Spur.
Betrübt ging er, als er das Roß nicht fand,
des Wegs, der Stadt Samangan zugewandt.

4. Rostam kommt zur Stadt Samangan

Als in der Stadt Samangan man den Helden
sich nah’n sah, eilte man dem Schah zu melden,
der Kronenspender nahe sich den Toren,
und das zu Fuß, weil der den Raksch verloren.
Alsbald verließ, zu grüßen seinen Gast,
der Schah mit seinen Großen den Palast,
und jeder sprach: "Ist’s Rostam? Ist es nicht
die Sonne, die durch Morgenwolken bricht?"
Umgeben von den Edlen trat zu Fuß
der Schah zu Rostam, bot ihm seinen Gruß
und sagte: "Ei! Was hat sich denn begeben?
Wer wagte, wider dich die Hand zu heben?
Befreundet sind wir dir von ganzer Seele
und deine Wünsche nennen wir Befehle:
Mein Leben und Besitztum halt für deines,
dein ist das Herz der Großen, so wie meines."
Der Held, vernehmend, was der König sprach,
und daß nichts Arges in den Worten lag,
gab so zur Antwort: "Herr! In deinen Landen,
auf jenem Feld, kam mir der Raksch abhanden!
Am Bachesufer hin und in dem Rohr
geht seine Spur bis an Samangans Tor;
Wird mir durch dich das Roß zurückgeschafft,
so lohn‘ und dank‘ ich dir’s mit bester Kraft,
doch wenn ihr mir den Raksch nicht schafft, so sollen
hier viele Häupter von den Rümpfen rollen."
Der König sprach: "Held ohne Furcht und Bangen,
wer sollte solcher Tat sich unterfangen?
Sei du mein Gast und laß den Zorn verschwinden,
nach deinem Wunsche wird sich alles finden.
Laß diese Nacht uns lustig sein und zechen
und durch den Wein die Macht der Sorgen brechen!
Die Spur des Raksch wird bald gefunden werden,
ist doch kein Roß wie dein‘s berühmt auf Erden!
Wir bringen den Verlor’nen dir zu Stelle,
drum nur Geduld, erprobter Kampfgeselle!"

5. Festtanz

 

6. Chor

Zuletzt rief Rostam aus, von Wein berauscht:
"Nun sei der Zechtisch mit dem Bett vertauscht!"
Ein duft'ges Lager war ihm schon bereitet,
und in das Schlafgemach ward er geleitet.

7. Interlude



8. Tahmine, die Tochter des Königs von Samangan,

begibt sich zu Rostam.

Nachdem ein Teil der Nacht vergangen war
und als der Morgenstern im Prangen war,
da ward bei leiser Worte Flüstern sacht
die Tür an Rostams Lager aufgemacht,
und, eine Umbrafackel in der Hand,
trat eine Sklavin zu des Bettes Rand;
verschleiert folgte ihr, der Sonne gleich,
ein mondgesicht'ges Weib, an Düften reich;
schlank wie Zypressen war die Frau der Frauen,
ihr Haar glich Netzen, Bogen ihre Brauen,
Rubinen Jemens waren ihre Wangen
und eng ihr Mund, gleichwie, von Schmerz befangen
ein liebend Herz; so rein war sie und klug
und schön, wie nie ein Weib die Erde trug.
Verwundert schaute Rostam sie und staunte,
indem er einen Wunsch des Segens raunte.

9) Dann sprach er: "Deinen Namen nenne mir!

Was du bei Nacht hier suchst, bekenne mir!"
"Tahmine - gab sie Antwort - ist mein Name;
zerrissen ist mein Herz von tiefem Grame;
vom Stamm bin ich, von dem sie Löwen sind,
des Königs von Samangan einz'ges Kind;
kein Fürst verdient, daß ich die Hand ihm reiche,
und kaum ein Weib, daß man es mir vergleiche.
Entschleiert hat mich noch kein Mann geschaut,
und keiner hörte meiner Stimme Laut.
Durch manchen Mund schon ward gleich Wundersagen
von dir die Kunde mir ans Ohr getragen,
wie mancher Leu und Diw und Leopard
von deiner tapfern Faust bewältigt ward,
wie du allein bei Nacht nach Turan kamst,
wie du allein die Grenzwacht übernahmst,
wie einen Esel du allein verzehrt,
und wie die Luft erseufzt von deinem Schwert,
wie deine Keule, wackrer Kampfgesell,
zerbersten läßt der Leoparden Fell;
ich hörte, daß, wenn deine Klinge blinkt,
des beutegier'gen Adlers Schwinge sinkt,
daß deinen Schlingen nicht der Leu entflieht,
daß Blut die Wolke regnet, die dich sieht.
Oft seufzt' ich, solche Kunden von dir hörend,
nach deinen Armen, deiner Brust begehrend.
Die Lippe biß ich oft, von Schmerz beklommen:
Da fügte Gott, daß du hierhergekommen,
und wenn du willst, so nenne mich die Deine,
da ich mein Leben trostlos sonst verweine!
Bedenk, durch dich war ich so weit gebracht,
die Liebe raubte der Vernunft die Nacht,
bedenk, wie Gott vielleicht gestatten wird,
daß mir ein Sohn von dir, dem Gatten, wird,
ein Sohn, dir gleich, zu Herrlichem geboren,
zur Weltbeherrschung vom Geschick erkoren.
Das Roß bring ich, das du verlorst, dir wieder,
und leg' dies Land vor deine Füße nieder."
Und als die Welt
sich lichtete, als sich die Sonne hob
und ihre moschusduft’gen Netze wob,
nahm Rostam einen edlen Onyxstein
und gab ihn an Tahmine: "Er ist dein!
Bewahr ihn treu zu meinem Angedenken!
Wird das Geschick dir eine Tochter schenken,
so heft‘ ihr diesen Onyx in die Haare,
als Amulett, das sie vor Bösem wahre;
doch wird ein Sohn dir nach des Schicksals Spruch,
so binde das Gestein, wie ich es trug,
ihm um den Arm; stark wird wie Nariman
er sein, an Tapferkeit ein Kariman.
Der Adler wird von seinen Pfeilen stürzen,
kein böser Stern wird seine Tage kürzen!"

10. Postlude

 

11. Chor

Beim Abschied drückt‘ er sie an seine Brust,
auf Haupt und Auge küßt er sie voll Lust.
Zu Rostam trat der König wohlgemut,
befragt ihn, wie er in der Nacht geruht,
und tat ihm kund, daß man den Raksch gefunden.
Da ging der Held, erfreut von solchen Kunden,
und streichelte den Raksch und sattelt‘ ihn,
Gott dankend, der ihm solches Glück verliehn.
Nach Irans Grenzen ritt er oder flog,
indem der das Begebnis viel erwog.
Sodann nach Kabul zog er ohne Säumnis,
allein vor jedem barg er sein Geheimnis.

12. Tahmine bringt den Sohrab zur Welt

Die Königsmaid, neun Monde drauf, gebar
ein Söhnlein, das ein Mond an Schönheit war.
Der Knabe war wie Sam so stark und wild,
des Vaters Rostam leibhaft Ebenbild.
Er lachte fort und fort, er weinte nie,
weshalb man ihm den Namen Sohrab lieh.
Starkbrustig war er; kaum noch monatalt,
glich er schon einem Jähr’gen an Gestalt.
Drei Jahr alt, führt‘ er Waffen schon im Scherz,
mit fünfen hatt‘ er Löwenmut und Herz,
im zehnten Jahre fand er weit und breit
schon keinen, der ihm widerstand im Streit.

13) Da trat er eines Tags zur Mutter hin

und sprach zu ihr mit kühnerwognem Sinn:
"Inmitten der Gespielen rag‘ ich hoch,
mein Haupt bis an den Himmel trag‘ ich hoch;
du sprich: von wessen Stamm, von wessen Samen
bin ich? Wie nenn‘ ich meines Vaters Namen?
Wirst du mir hierauf nicht die Antwort geben,
so darfst du fürder auf der Welt nicht leben."
Die Mutter gab zur Antwort ihm: "Vernimm
mein Wort, erfreue dich und laß den Grimm!
Du bist, oh Kind, des Rostam Sohn! Vom Stamm
bist du des Nariman und Dastan Sam!
Weil du entsprangst aus solchem Heldenhaus,
trägst übern Himmel du das Haupt hinaus!
Denn niemals noch, seit Gott die Welt erschuf,
war deinem Vater gleich ein Held an Ruf,
und keiner ist, der sich dem Sam vergleicht,
ihm, den des Himmels Kreislauf nicht erreicht."
Dann einen Brief an Rostam brachte sie,
den Sohn bekannt mit allem machte sie,
und gab ihm drei Rubinen, funkelndrote,
sowie drei Bedreh Goldes, die ein Bote
aus Iran ihr gebracht, nachdem ihr Gatte
des Sohns Geburt zuerst vernommen hatte.
Sie sprach zu Sohrab: "Wahre diese Zeichen!
Der Vater schickt sie dir, dem Tugendreichen!
Doch merk‘! Afrasiab darf keinen Laut
Von dem erfahren, was ich dir vertraut,
denn er, um dessen Grimm ganz Turan weint,
ist des erhab‘nen Rostam bittrer Feind.
Leicht würfe seinen Haß auf dich der Schlimme,
wie er den Vater dir verfolgt mit Grimme.
Ach, Sohn! Und wenn der Vater von dir hört,
wenn er, wie hoch dein Haupt sich hebt, erfährt,
so ruft nach Iran er den Hochgemuten,
das Herz der Mutter aber wird verbluten!"
Zur Mutter sagte Sohrab da: "Auf Erden
kann solches nicht geheim gehalten werden!
Von Rostams hohen Taten lebt die Kunde
in aller Großen, aller Helden Munde!
Warum hast du bisher es mir verschlossen,
daß ich von solchem Heldenstamm entsprossen?"
Ein Heer versamml‘ ich nun aus Turans Marken,
ich stelle an die Spitze mich der Starken,
vom Thron stürz‘ ich des Kawus Herrscherhaus,
die Spur des Tus tilg‘ ich in Iran aus!
Dem Rostam geb‘ ich Krone, Ring und Schatz,
er soll mir sitzen an des Kawus Platz!
Sodann rück‘ ich nach Turan kampflustschnaubend,
die Krone von Afrasiabs Haupte raubend;
vom Thron stürz‘ ich ihn gleich einem Blitze,
zum Himmel heb‘ ich meine Lanzenspitze;
du sollst den Thron als Königin besteigen;
als Löwen will ich mich im Kampfe zeigen;
wo Rostam Vater ist und ich der Sohn,
da bleibe keinem Fürsten sonst der Thron,
denn wenn vereinigt Mond und Sonne funkeln,
so muß der Sterne Kronenschmuck erdunkeln!"

14. Afrasiab sendet Barman und Human zu Sohrab

Bald wurde dem Afrasiab kund getan:
"Sohrab stößt von dem Strande seinen Kahn;
ein starkes Heer hat er um sich geschart,
wie Zedern ragt der Jüngling seltner Art.
Jüngst hat er noch die Muttermilch gesogen,
und doch führt er das Schwert schon und den Bogen.
Die Welt wird er mit seinen Waffen rein’gen;
Zum Kampf mit Kawus führt er nun die Sein’gen.
Afrasiab lächelte bei dem Bericht,
er freute sich und barg die Freude nicht,
und von den Tapfern, seinen Heeressäulen,
erlas der Schah zwei Schwinger wucht’ger Keulen,
Human und Barman, zwei nicht Zagende,
im Kampf der Löwen alles Wagende.
Zwölftausend Tapfre ihnen zum Geleit
erwählend, gab er ihnen so Bescheid:
"Hört meine List! Geheim müßt ihr sie halten,
dann werdet ihr den Weltlauf umgestalten!
Von Rostam werde nicht der Sohn erkannt!
Er wisse nicht, daß Sohrab ihm verwandt!
Wenn dann sich gegenüber stehn die beiden,
so werden sie zum Kampfe sich entscheiden.
Vielleicht, wenn der bejahrte Held besiegt
der Kraft des jungen Löwen unterliegt,
ziehn wir ins rostamlose Iran ein;
bang wird’s dem Kawus dann auf Erden sein,
und später wird Sohrab von uns bei Nacht
mit Schlaf bestrickt, so daß er nie erwacht;
doch fällt der Sohn von seines Vaters Streiche,
so macht der Kummer Rostam bald zur Leiche!"

15) Die beiden wackern Behlewanen gaben

sich auf die Fahrt zu den erlauchten Knaben.
Ein Brief voll seiner Schmeichelei
war an das erlauchte Heldenkind dabei.
"Nach Iran ist’s nicht weit; wie ein Revier
deucht Turan, Iran und Samangan mir.
Ich sende Truppen dir samt reichen Schätzen,
mögst du die Krone denn aufs Haupt dir setzen!
In Turan gab es beß’re Helden nie,
als Human und Barman: darum sie
hab ich erkoren, daß sie zu dir gingen
und gastlichen Begruß von dir empfingen!
Nimm sie mit dir hinaus ins Schlachtgedräng,
und mach die Welt für deine Feinde eng!"

Ende Akt I



Akt II

1. Einleitung

 

2. Sohrab erklärt Iran den Krieg

Doch Sohrab bot indes dem Kawus Hohn
und rief ins Lager so mit Donnerton:
"Wohl magst du, Schah, dich rühmen deiner Ahnen;
wie aber steht’s im Kampf der Behlewanen?
Glaubst du, daß dir der Name Schah gebührt,
der du mit Löwen niemals Kampf geführt?
Zuckt nur in meiner Rechten dieser Speer,
so wird vom Tod durchzuckt dein ganzes Heer!"
Tus trat zu Rostam als des Königs Bote,
das Unheil hörend, das den Schah bedrohte.
Den stolzen Knaben, mächtig von Genick
und Brust, sah Rostam an mit wildem Blick
und sprach zu ihm: "O zartes Heldenkind,
die Erd‘ ist kalt, die Luft ist lau und lind.
Ich war bei mancher Schlacht, denn ich bin alt,
manch Heer sank hin vor meines Arms Gewalt,
Tod bracht‘ ich manchem Diw, den ich bekriegt,
ich siegte viel, doch wurde nie besiegt!
Wenn du im Kampf, den nun ich kämpfen will,
bestehst, so fürcht hinfort kein Krokodil!
Gebirg‘ und Meere sahen meine Schlachten,
die Turans Große oft zu Falle brachten,
und wie ich unter mir die Welt gebeugt,
das sei mir von dem Sternenzelt bezeugt!
Doch Mitleid, Knabe, fühlt mein Herz für dich!
Dein Leben rauben, wäre Schmerz für mich!
Bleib bei den Türken nicht! In Irans Reichen
sind wen’ge nur, die sich mit dir vergleichen!"
Sohrab vernahm die Rede und entgegen
dem Rostam schlug sein Herz mit starken Schlägen.
Er sprach: "O Tapfrer! Eins bekenne mir!
Den Namen, den du führest, nenne mir!
Wer und von welchem Stamm du bist, erzähle!
Erfreue durch die Antwort meine Seele!
Kein andrer, glaub‘ ich, bist du auf der Welt,
als Rostam, der von Sam entsproßne Held!"
Doch Rostam gab zur Antwort: "Nein, du irrst!
Ich stamme nicht von Sam; ein Heeresfürst
ist Rostam, ich gehöre zu den Sklaven,
mich schmückt kein Diadem, wie jenen Braven."
Die Hoffnung schwand bei diesem Wort dem Knaben,
in Dunkel schien für ihn der Tag begraben.

3. Kampf zwischen Rostam und Sohrab

Von ihren Rossen stiegen sie hernieder;
Das Haupt behelmt, in Erz geschient die Glieder,
doch trüben Sinns, sich gegenüber standen sie,
an Felsenzacken ihre Rosse banden sie;
und, wüt’gen Löwen gleich zum Kampfe schießend,
von ihren Leibern Schweiß und Blut vergießend,
bestritten sie sich, ohne zu ermatten,
vom Morgen an bis in den Abendschatten.
Sohrab war wie ein trunkner Elefant,
und bäumte wie ein Leu; am Gürtelband
ergriff ihn Rostam da, so daß es schien,
zermalmen werde der Gewalt’ge ihn;
doch mit Gebrüll, um Berge zu zerspalten,
umschlang der Junge wuterfüllt den Alten;
vom Boden in die Lüfte schwang er ihn,
dann nieder auf die Erde rang er ihn
und kniete dem Gestürzten, siegsbewußt,
voll Staub so Mund als Antlitz, auf die Brust.
Sohrab war wie ein Leu, der mit den Klauen
ein Wild in Stücke reißen will, zu schauen;
den Dolch, den blanken, riß er aus der Scheide,
um Rostams Haupt zu lösen mit der Schneide;
doch Rostam rief ihm zu: "O Leubezwinger,
Pfeilschleudrer! Fangstrickwerfer! Keulenschwinger!
Was du beginnst, ist nicht nach unsrer Sitte!
Ein andres Recht besteht in unsrer Mitte!
Wenn hier zu Land ein Paar im Zweikampf ringt,
darf jener, der zu Fall den Gegner bringt,
das erste Mal, daß er in Staub ihn legt,
ihn noch nicht töten, wenn auch zornbewegt.
Doch siegt er dann im zweiten Kampf aufs neue,
bewährt er sich durch solche Tat als Leue,
dann ist’s nach unsres Volkes Brauch erlaubt,
daß er vom Rumpfe trennt des Feindes Haupt!"
So Rostam, der auf diese List verfallen,
um sich zu retten aus des Drachen Krallen;
der Jüngling gab Gehör dem Wort des Alten,
versprechend, sich an diesen Brauch zu halten.

 

4. Rostams Gebet

"O du, von dem das Gute kommt,
in dieser Drangsal gib mir, was mir frommt!
Gib mir zurück die einst verliehne Gabe,
die Kraft, die ich vordem besessen habe!"


5. Einleitung zur 3. Schlacht

Und sieh! Da gab ihm Gott die Kraft der Glieder,
die er genommen, auf sein Flehen wieder!
Aufs Schlachtfeld kehrte Rostam dann voll Bängnis;
Er zagte vor dem kommenden Verhängnis.
Dort harrte schon Sohrab, den Bogen haltend,
mit seines Rosses Huf den Boden spaltend;
wie wenn der Elefant zum Angriff braust,
so schrie er auf, die Fangschnur in der Faust.
Rostam sah staunend auf des Jünglings Toben,
als wollt‘ er mit den Blicken ihn erproben;
die Seele sank ihm, die sonst nie verzagte,
bevor er mit Sohrab den Zweikampf wagte;
dem Jüngling aber, der ihn schaute, trug
der Jugendwind das Herz hinweg; im Flug
sprengt‘ er heran; er maß mit seinem Blick
des Mächt’gen Brust und Schultern und Genick
und rief ihm zu: "Warum nach deiner Flucht
wird nun aufs neu der Kampf von dir verflucht?
Soll dich mein Schwert befördern zu den Toten?
Dem Unglück hast du deine Stirn geboten!"

 

6. Sohrab wird von Rostam getötet (orchestral)

Noch einmal banden beide fest die Rosse.
Das Schicksal richtete die Wurfgeschosse
auf ihre Häupter; wenn es naht, sogleich
wird harter Felsen gleich dem Wachse weich.
Aufs neue loderte die Wut des Streits;
Am Gürtel faßten sie sich gegenseits,
doch, als ob Gott die Hand dem Sohrab lähmte,
entriß sich Rostam ihm, der ungezähmte,
erhob die Faust, das Krokodil zu packen,
und faßte des Gewalt’gen Haupt und Nacken,
daß ihm der Rücken, gleich dem Rohre, brach;
gekommen war des edlen Jünglings Tag;
der Alte warf zu Boden ihn am Ende
und griff, damit er nimmermehr erstände,
nach seinem Schwerte; hastig zückt‘ er es
und tief ins Herz dem Sohrab drückt‘ er es.

7. Tod Sohrabs

- Ihr, die ihr Rachewerke übt, bedenkt,
daß für das Blut, mit dem eu’r Schwert ihr tränkt,
das Schicksal euch mit spitzem Dolch zerfleischt
und euer Blut von euch zur Sühne heischt! –
Sohrab, in Schmerz sich windend, seufzte tief,
er ahnte, daß es aus mit ihm und rief:
"Das ist das Los, das ich mir selbst erkor!
In deine Hand zu meinem Todestor
gab ich den Schlüssel! Minder schuld bist du;
der Himmel hob und stürzte mich im Nu!
Zum Spotte nun dient meine Jugend allen,
daß dieser hohe Wuchs in Staub zerfallen.
Vom Vater sprach die Mutter mir so viel,
und daß ich ihn so liebte, darum fiel
mein Haupt! Ihn suchend bin ich ausgezogen,
und um mein Leben hat mich das betrogen!
Die Frucht der Mühen hab‘ ich nicht gesehn,
ach! nicht des Vaters Angesicht gesehn!
Doch ob wie ein Fisch du schwämmest durch die Welle,
ob durch den Himmel flöhst mit Sternenschnelle,
ob du dich bärgst in nächt’ge Finsternisse,
ob deine Hand herab die Sonne risse, -
doch trifft dich meines Vaters Racheschwert,
wenn er, daß mich dein Arm erschlug, erfährt.
Der Großen wird, der Krieger einer schon
an Rostam melden, daß du seinen Sohn,
indes er seinen Vater aufgesucht,
zur Erde hinwarfst lieblos und verrucht!"
Rostam vernahm’s; vor seinen Augen ward
die Welt verdunkelt; leblos und erstarrt
stand er, ihm faßte Schwindel jäh das Haupt
und auf die Erde fiel er sinnberaubt.
Dann rief er, als er wieder zu sich kam,
zu Sohrab voll Verzweiflung und voll Gram:
"Hast du von Rostam ein Erinnrungsmal?
Mag man ihn streichen aus der Großen Zahl!
Ich selbst bin Rostam! Wisse das, Sohrab!
Mag Sal denn trauern über meinem Grab!"
Dann brüllt‘ er auf, es siedete sein Blut,
er raufte sich das Haar und schrie vor Wut.
Als Sohrab solches ward von Rostam inne,
da rief er und es schwanden ihm die Sinne:
"So bist du Rostam, der den Dolch du zücktest,
und unbarmherzig in die Brust mir drücktest?
Ich suchte dich zum Frieden zu bewegen,
doch keine Liebe konnt‘ ich in dir regen;
an meinem Panzer löse nun die Bänder,
sieh meinen Leib, entledigt der Gewänder!
Als mich zum Kampf die Pauke rief von dannen,
da band die Mutter – blut’ge Tränen rannen
ihr auf die Wangen um den Abschiedsharm –
mir diesen Onyx scheidend um den Arm
und sprach: ‚Dein Vater gab mir dieses Zeichen!
Bewahr‘ es treu, es ihm dereinst zu reichen!‘
Doch ach! zu spät, zu spät nun ist’s geworden,
der Vater mußte seinen Sohn ermorden!"
Rostam sah hin, erkannte das Geschmeid,
zerriß auf seinem Leibe jedes Kleid
und rief: "O du, den ich getötet habe,
Glorreicher, allem Volk gerühmter Knabe!"
Sein Haar zerrauft er, ließ den Tränen Lauf,
bestreute sich mit Staub und brüllte auf;
da sprach Sohrab zu ihm: "Es ist vergebens!
Das Weinen laß! Wenn du dich nun des Lebens
mit eigner Hand beraubt, was hilft dir das?
Wie es geschehen sollte, so geschah’s!
Denn wer, o tapfrer Recke, konnte glauben,
der Vater würde mir das Leben rauben?"

8. Rostams Wehklage um Sohrabs Tod

Rostam rief aus: "Welch ein Vater hat ein gleich Verbrechen
verübt? O weh, mein Wutentflammter,
mein tapfrer Sohn, du Behlewanenentstammter!
Wie dich sehn Mond und Sonne keinen wieder!
Kein Helm deckt einen Kopf wie deinen wieder!
Wem ist wie mir ein Unglück widerfahren?
Den Sohn erschlug ich, ich, ein Greis von Jahren!
Den Sohn, den Enkel Sams, des Ruhmgenannten,
den mutterseits mit Königsblut Verwandten!
Der Stärkste heiß‘ ich auf dem Erdenkreis,
und doch vor ihm war ich ein schwaches Reis!
Haut von dem Arme mir die Hand zur Strafe!
Mir ziemt, daß ich fortan im Staube schlafe!
Was sag‘ ich seiner Mutter von dem Toten?
Wie wag‘ ich, ihr zu senden einen Boten?
Was führ‘ ich an, weshalb ich ohne Huld
das Lebenslicht dem Knaben sonder Schuld
beraubt? Mit Abscheu wird man von mir sprechen,
denn welcher Vater hat ein gleich Verbrechen
verübt?"

9. Chor

Auch Sohrabs Mutter hörte, was geschehn,
daß ihr der Sohn geraubt sei und durch wen;
da ihr Gewand zerriß das schöne Weib,
rubinengleich erschien ihr nackter Leib;
die Hände rang sie, schluchzte laut vor Qual,
in Ohnmacht sank sie ein ums andre Mal.

10. Wehklage von Sohrabs Mutter

"O Leben seiner Mutter, nun erlischt
dein Strahl! Du wirst dem schwarzen Staub gemischt!
Wie zärtlich hab‘ ich dich, mein Kind, gepflegt,
dich Tag und Nacht an meiner Brust gehegt;
nun ist das alles mir in Blut ertränkt,
dein schöner Leib ward in die Gruft gesenkt!
Wen press‘ ich nun statt deiner an die Brust?
Wo find‘ ich Tröstung je für den Verlust?
Du gingst, o Leu, den Vater zu erkunden,
an seiner Statt hast du das Grab gefunden.
Du hättest ihm den Onyx zeigen sollen,
ihm deinen Namen nicht verschweigen sollen!
Sagt‘ ich dir nicht, woran des Vaters Haupt
zu kennen sei? Doch du hast nicht geglaubt!
Nun dein beraubt und ohne Lebenskraft,
verzweifelnd lieg‘ ich in Gefangenschaft!"

 

11. Sohrabs Trauerzug (Chor)

 

12. Epilog (Erzähler)

So wird das Geheimnis der Welt nie offenbar.
Du wirst es nicht finden.
Warum suchst du den Schlüssel?
Die Tür lässt sich von niemandem öffnen.
Die Mühe vergeudet nur dein Leben.

(Freie Übersetzung)